Swiss Pass

und ähnliche Kapriolen zu Lasten des Portemonaies

Nun ist er also--attendez-voir ... --- ... --- ... blibliblob ... ok, c'est bon--eingeführt, der neue Swiss Pass. Da ich jeden Tag zweimal mit dem Zug fahre, ist mir der zugehörige Kontroll-Vorgang wohl vertraut. Was bisher einen Blick benötigte, braucht nun die Karte entgegen zu nehmen und an das Gerät halten, sie eventuel nochmals umzudrehen, die Anzeige abwarten und lesen und die Karte wieder zurück geben. Das dauert auch bei einem geübten Kontrolleur mindestens dreimal so lange wie der Blick zuvor. Wie käme es sonst, dass ich meine Arbeit seit dem Besitz der roten Karte deutlich länger unterbrechen müsste? Schliesslich hat sich an meinem Anteil, Raussuchen-Hinhalten-und-wieder-Wegstecken, paraktisch nichts geändert, nur das Warten dazwischen ist länger geworden.

Es brauche ja gerade mal so-und-so-viel Sekunden mehr, kein grosser Aufwand, war auf Einwände im Vorfeld und im Zuge der Einführung zu hören. So richtig das den Worten nach ist, so falsch ist es im Ergebnis. Ein jedes Milchmädchen wäre beleidigt, schöbe man ihm solches unter. Denn wenn etwas dreimal so lange dauert, dauert es dreimal so lange, auch wenn dies nur einige Sekunden sind. Schliesslich wird ja nicht nur ein Fahrgast pro Zugfahrt kontrolliert. Es heisst im Klartext, mit Swiss Pass dauert die Kontrolle erheblich länger, wenn eine grosse Zahl an Fahrgästen einen solchen vorweist, was genau dann der Fall ist, wenn die Züge besonders voll sind, zur Stosszeit. Hatte man nicht gerade erst den Fahrkartenverkauf in den Zügen abgeschafft, weil die Kontrolleure mit der Arbeit nicht nachkamen?

Einen Kontrolleur in Bus, Tram oder Regionalzug habe ich seit der Einführung auch nicht mehr gesehen. Wie will man auch die aussteigenden Fahrgäste eines ganzen S-Bahn- oder Metro-Zuges an einer Haupt-Haltestelle überprüfen, ohne Gefahr zu laufen, von denen niedergerannt zu werden, die wegen dem zusätzlichen Schlangestehen ihren Anschlusszug verpassen? Das würde ja nur mit einem ganzen Heer an zusätzlichen Kontrolleuren funktionieren. Gibt's die irgendwo gratis?

Da ich nicht annehme, dass die Rechenkünste bei Marketing und Management der SBB derart miserabel sind, kann ich nur schliessen, dass sie schlicht nicht zur Anwendung kamen. Man hat--wie bei noch einigen anderen Dingen--einfach nicht an die praktischen Konsequenzen gedacht. Ob die Vorteile der angepriesenen Zusatzleistungen das ausgleichen können? Das darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden. Am Ende hat dann wieder der Kunde die Ehre, den unnötigen Schnickschnack über steigende Billet-Preise berappen zu dürfen. Schliesslich musste ja schweizweit für jeden Kontrolleur ein neues Gerät angeschafft werden. Die Einnahme-Ausfälle durch erhöhten Schwarzfahreranteil wegen seltener gewordenen Kontrollen werden auch nicht auf sich warten lassen. Wer lässt sich schon solch eine Einladung entgehen? Der ehrliche Kunde ohne Wahl muss es berappen.

Apropos. Man werde den Service am Kunden weiter verbessern, indem man flächendeckend kostenlos WLAN einführe. Schöne Nachrichten, die Staatsbahn gibt sich grosszügig und stellt Service kostenfrei zur Verfügung. Aber halt, war da nicht was? Doch, in einer der vergangenen Ausgaben von "Via" warb die Verkehrsminsterin um Verständnis für steigende Ticket-Preise, denn es müsse unter anderem ja die Wagenflotte mit der nötigen Mobilelektronik ausgestattet werden. Aha, noch so ein Hütchen-Spiel. Marketing-Schönaussehereien erfinden und sie sich vom Kunden bezahlen lassen, der sich nicht aussuchen kann, ob er das Telefon-Entertainment durch seine Platznachbarn mitbezahlen will oder nicht.

Der "Skandal" um die allseits bekannten getürkten Abgaswerte deutscher Autos zeigt, selbst wenn es unter Strafe steht, wird dem Kunden das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Wie sieht es da erst aus mit legal nicht beanstandbaren Dingen? Wer auch nur ein Wort glaubt, hat schon verloren.

Ein Einzelfall?

Der Swiss-Pass war nur am Rande Thema im kürzlichen Wocheninterview des Schweizer Radios mit dem SBB-Konzernchef Andreas Meyer. Der Tonfall über das Interview hinweg erinnerte mich an die Antworten, die man bekommt, wenn man einen Brief an die Kontaktadresse schreibt, weil man auf ein Problem aufmerksam machen will, wenn man wissen will, warum dies so und jenes so ist. Wortreich wird einem dann erklärt, was das Unternehmen tut und nicht tut, wie es sein Verhältnis zum Kunden sieht und nicht sieht usw, aber die eigentlichen Fragen, die werden nicht beantwortet. Mit pseudo-kommunikativem Neusprech erzeugtes Altpapier.

Nun mag es gut sein in einer Zeit, in der die Sicht auf die Dinge korrigiert werden muss (langjährig anhaltende Fahrpreis-Steigerungen weit jenseits der Inflationsraten, grosse Fehlkalkulationen bei den Investitionen etc), die Dinge mit einer neuen Sicht und Zukunftsvisionen anzugehen. Jedoch riet schon der dieser Tage verstorbene deutsche Altkanzler einst Kollegen mit Visionen, besser den Arzt aufzusuchen. Und so scheint gerade in der aktuellen Lage eher der Blick in eine andere Richtung zu fehlen.

Bei der Verdichtung des Fahrplanes und der Beschaffung des zugehörigen Rollmaterials hat man in der Kalkulation schlicht vergessen, dass sich der Verschleiss am Oberbau im selben Masse erhöhen und mit entsprechend höheren Kosten zu Buche schlagen wird. Wie können Eisenbahnfachleute so etwas übersehen?

Im Vorfeld des aktuell teuersten Projektes, dem neuen Gotthard-Tunnel, hat man der Bevölkerung sowohl eine Steigerung der Güterkapazität zwecks Verlagerung von der Strasse auf die Schiene versprochen, als auch schnelle Personenverbindungen von und nach dem Tessin. Die alte Gotthardstrecke war in den Planungen lange mehr oder weniger "zum Abbruch freigegeben", Rückbau auf Einspurbetrieb, Umspurung zwecks Eingliederung in das MGB Netz und ähnliche Ideen. Jeder, der nur ein bisschen etwas von Eisenbahn versteht, weiss, dass die Kapazität einer Eisenbahnlinie wesentlich davon abhängt, in welchem zeitlichen Abstand gleichschnelle Züge aufeinander folgen können. Dank ETCS sind drei Minuten Takte im Prinzip kein Problem. Weil aber ein langsamer Güterzug dreimal so lange vom einen bis zum anderen Ende der Schnellfahrstrecke braucht wie ein mit Höchstgeschwindigkeit fahrender Personenzug, können beim derzeitigen Baubestand statt theoretisch 20 Züge pro Stunde und Richtung gerade einmal zwei Personenzüge und maximal vier Güterzüge fahren.

Die bald anderthalb Jahrhunderte alte Bergstrecke hat dem gegenüber eine deutlich höhere Kapazität, weil alle Züge mit annähernd gleicher Geschwindigkeit fahren. Es braucht zwar eine Stunde länger, das macht aber nur ein Vierundzwanzigstel der Länge eines Tages aus oder 4.2% Kapazitätsverlust pro Tag. Wenn man das Angebot von zwei stündlichen Personenzügen nicht kürzen will, wird die Güterkapazität irgendwo bei einem Drittel bis der Hälfte dessen liegen, was derzeit über den Berg befördert wird. Und letzteres wäre sogar mit vergleichsweise geringen Kosten noch ausbaubar durch kürzere Blockabstände und einige zusätzliche Spurwechsel. An die zwölf Milliarden Franken für die Verringerung der Leistung auf maximal die Hälfte, das sollte man sich gründlich auf der Zunge zergehen lassen. Wer's nicht glaubt, mag die Situation am Lötschberg betrachten, wo genau dies schon eingetreten ist.

Und auch das kann ein Eisenbahner nicht übersehen. Sind hier etwa die Meinungen derer mit Sachverstand nicht gehört worden, weil sie nicht gehört werden wollten? Mein Eindruck ist, es müsste wieder mehr klassischer Eisenbahnsachverstand in die Vorstandsetagen einziehen. Wenn der sich dann mit neuen Ideen kreuzte, käme am Ende vielleicht mehr heraus als weiterhin horrend steigende Kosten durch allzu viel unnützen Firlefanz.